Ein Interview mit der Autorin Marion Schinhofen.

17. August 2024 0
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Thema: Interview am 06.08.2024

Jedes Buch, das wir lesen, ist eine Reise, und das einzige Gepäck ist unsere Fantasie. Die Allgemeinbildung wird erweitert, die Seele gestärkt und die Gedanken beflügelt.

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Richard Bodem: Ein Interview mit der Autorin Marion Schinhofen. Sie ist die Autorin von

»Nie wieder Wahnsinn 1914-2020«
»Liebe bleibt – wenn wir es zulassen«
»Vergessene Kinder«

Die Themen in den Büchern von Marion Schinhofen decken ein breites Spektrum ab. Von Gewalt an Frauen und Kindern, strukturelle Gewalt in Gesellschaft und Kirche, dem Weiterleben als Opfer aber auch dem Irrsinn des Kriegs. Dabei erzählt Marion Schinhofen sehr einfühlsam aus der Perspektive der Opfer, ohne die Täter herabzusetzen oder zu schablonisieren. Und die Autorin bleibt trotz aller beschriebenen Gräuel stets hoffnungsvoll und zeigt Perspektiven auf. Diese beiden letzten Punkte möchte ich hier besonders hervorheben.

Richard Bodem
Hallo Marion, vielen Dank, dass Du Dich bereiterklärt hast, für ein Interview. Kannst Du Deine Arbeit in meiner sehr komprimierten Kurzbeschreibung wiederfinden? Was würdest Du noch ergänzend dazu schreiben wollen?

Marion Schinhofen
Danke für diese gute Kurzbeschreibung. Über allem steht immer: Niemals die Hoffnung aufzugeben, da nach schlechten Zeiten das Gute immer wieder um die Ecke kommt.

Richard Bodem
Du schreibst ja auch selbst immer, dass Deine Bücher “Mut machende Bücher” sind. Ist das heute eine Mangelware geworden, Mut und Zuversicht?

Marion Schinhofen
Ja, es geht mehr und mehr verloren, da wir mit negativen Nachrichten tagtäglich überflutet werden und scheinbar nichts Schönes mehr berichtet werden will. Die Menschen werden depressiv oder gleichgültig oder radikal.

Richard Bodem
Dem muss ich leider zustimmen. Es wurde ja auch schon versucht, regelmäßig positive Nachrichten zu bringen, was aber scheinbar kein Erfolg war. Sind Menschen so begierig auf schlechte Nachrichten?

Marion Schinhofen
Werbung lebt auch nur von der Wiederholung. Solange positive Nachrichten und Lösungsvorschläge nur selten und vereinzelt gebracht werden, statt täglich die Menschen damit zu erfreuen, aufzumuntern und aktiv werden zu lassen, wird das Gegenteil (bewusst??) verfolgt.

Richard Bodem
Da stimme ich Dir völlig zu, ständige Wiederholung prägt die Meinung und auch das Bewusstsein. Du hast Dir selbst sehr schwere Themen zum Schreiben ausgesucht. Wie bist Du zum Schreiben gekommen?

Marion Schinhofen
Ich habe schon immer alles aufgeschrieben, was ich gut fand, was mich störte und was ich tun kann, um für Verbesserungen zu sorgen. In meiner Berufstätigkeit habe ich Seminare gehalten und jetzt als Dauerurlauberin versuche ich es mit meinen Büchern, Menschen zu motivieren, aktiv zu werden, auch wenn das Lesen in der Gesellschaft nicht mehr einen hohen Stellenwert hat. JEDER hat die Möglichkeit, für Verbesserungen zu sorgen.

Richard Bodem
Das wird leider vergessen, jeder kann etwas tun. Deine Bücher sind keine Romane, Du erzählst wahre Begebenheiten. Könnte man sagen, dass Du den Opfern eine Stimme gegeben hast, die sonst nicht gehört oder nicht beachtet worden wären?

Marion Schinhofen
Ja, denn Opfer haben in Deutschland ganz schlechte Karten! Während Täter therapiert werden und alle Sozialleistungen erhalten, werden Opfer alleine gelassen und müssen zusehen, wie sie zurechtkommen. Wiedergutmachungsverpflichtungen sind im deutschen Gesetz nicht vorgesehen. Besonders die zunehmende Gewalt an Frauen und Kindern darf nicht weiter hingenommen werden! Deutschland steht bezüglich Kindeswohl europaweit an 16. Stelle!!

Richard Bodem
Gewalt und sexualisierte Gewalt werden in den westlichen Demokratien immer noch viel zu wenig angesprochen. In Deutschland werden diese Themen aber besonders stark tabuisiert. Was sind die Ursachen dafür?

Marion Schinhofen
Die fehlende Aufklärung, bereits in den Schulen. Die Weigerung der Medien, aufklärende Beiträge tagsüber zu senden. Die überaus seltenen Beiträge zur nachtschlafenden Zeit oder in Sendern, die die Mehrheit nicht schaut, bringen nichts, sondern beweisen nur den Unwillen, Menschen über Langzeitprobleme zu informieren. Hinzu kommen die täterfördernden Zuckerwattenurteile der Richter/innen, sogar bei Wiederholungstätern und die Täterbeschützer in allen Gesellschaftsschichten.

Richard Bodem
Ist jemand der wegschaut nicht auch Mittäter? Bräuchten wir nicht wieder viel mehr Zivilcourage und wie könnte diese konkret aussehen?

Marion Schinhofen
Wenn einzelne Zivilcourage zeigen, werden sie oft selber angegriffen oder später angezeigt. Ist schon krank, was hier im Lande passiert. Zivilcourage hat Seltenheitswert bekommen, dabei würde es schon reichen, wenn bei Gewaltattacken zumindest bei der Polizei angerufen werden würde (statt nur mit dem Handy zu fotografieren und ins Netz zu stellen) oder bei Gewalt an Kindern das Jugendamt informiert wird. Aber Mann/Frau halten sich lieber heraus. Die Gesellschaft könnte mit erhöhter Aufmerksamkeit enorm helfen. Wieder hin zu mehr Wahrnehmung, Mitgefühl und Hilfsbereitschaft.

Richard Bodem
Also die Angst selbst Probleme zu bekommen und Gleichgültigkeit sind hier das Problem? Ich habe in der Pflege gerade in der Covidzeit aber ganz viele positive Erfahrungen gemacht, mit Menschen die, nicht organisiert, einfach geholfen haben. Könnten wir das schlummernde Potenzial, das ja vorhanden ist, vielleicht aktivieren?

Marion Schinhofen
Menschen, die anderen helfen, haben wir jede Menge. Es sind die unterbezahlten und ehrenamtlichen Helfer/innen, die unser Sozialsystem aufrechterhalten. Wenn sich das auf die gesamte Gesellschaft niederschlagen würde – mein Gott, wir hätten kaum noch Probleme!

Richard Bodem
Ich stimme Dir 100%ig zu. Die Pflegewissenschaft sagt es gibt zwei Ursachen für Misshandlung, Überforderung und das sich berauschen an Machtgefühlen. Deckt sich das mit Deinen Erfahrungen?

Marion Schinhofen
Einer hat mal gesagt: Wenn die Macht der Liebe, die Liebe zur Macht überwindet, erst dann weiß die Welt was Frieden heißt. Dem stimme ich 100 %ig zu. Kein Machtmensch hat bisher Gutes vollbracht. Sie bringen Krieg, Elend und sterben leider nicht aus.

Richard Bodem
Du beschreibst auch, wie eine Generation auf der Nächsten, auf dem Schweigen der Opfer aufgebaut wurde. Musste das nicht zwangsläufig auch Narben im kollektiven Unterbewusstsein einer Gesellschaft hinterlassen? Ist das eine der Ursachen unserer gesellschaftlichen Probleme in der Gegenwart?

Marion Schinhofen
Es gibt wissenschaftliche Berichte, dass wir von unseren (Ur-Groß-) Eltern ihre Narben, Verluste, Ängste und Traumata vererbt bekommen, also in den Genen haben. Was aber nicht als Ausrede dienen darf. Das könnte aufgefangen werden, wenn wir über die Vergangenheit Bescheid wissen, aus ihr lernen, sie akzeptieren und unser Leben engagierter verbringen würden.

Richard Bodem
Es gibt eine psychologische Studie, die sogar beschreibt, dass wir, ohne von den Traumata zu wissen, versuchen diese aufzuarbeiten. In „Nie wieder Wahnsinn“ schreibst Du, wir sollten das Gute bewahren und dem Schlechten Widerstand leisten. Im Moment scheint man alles Alte über Bord zu werfen nur, weil es alt ist und alles Neue zu bejubeln, nur, weil es neu ist. Bereits der griechische Philosoph und Staatsmann Solon sagte, eine solche Gesellschaft muss zwangsläufig untergehen. Wie siehst Du dieses Thema in der Gegenwart?

Marion Schinhofen
Dieser Hype ist absurd und spiegelt nur die gewachsene Oberflächlichkeit der Menschen wider. Es gab auch viel Gutes in der Vergangenheit, doch es wollte nicht gepflegt werden – so entstand nach und nach unsere konsumverwöhnte Wegwerfgesellschaft. Was nicht mehr neu ist – einfach weg damit.

Richard Bodem
Die Gewalttat des Einzelnen wird ja durch Strukturen und Hierarchien der Gesellschaft gefördert. Hat unsere Gesellschaft immer noch oder schon wieder Gewaltausübung als ein idealisiertes Bild von Macht und Stärke?

Marion Schinhofen
Als idealisiertes Bild sehe ich das nicht. Die Gesellschaft ist nur abgestumpft, und keiner sucht die Wurzel des Übels. Die Ursache sehe ich u. a. in den Medien, durch die Dauerberieselung und Gewaltverherrlichung mit Kriminalserien, Mord und Totschlag, Brutalität, Sex und jede Art von Tabubruch.

Richard Bodem
Du hast ja auch einmal die Veränderung in der Literatur erwähnt. Was früher die „Bösen“ und die „Monster“ waren, das sind heute Helden und Idole. Zeugt das nicht davon, dass viele Menschen ihren Glauben an das Gute verloren haben und lieber davon träumen, nachdem sie sich als Opfer fühlten, auch selbst Täter zu werden?

Marion Schinhofen
Nein, das glaube ich nicht. Das Gute geht im Menschen nie verloren, es muss nur jeder für sich wiederentdecken. Ich habe mehr das Gefühl, dass wir in einer Zeitschleife festhängen und wir aus dieser Manipulation der Menschen wieder herausfinden müssen.

Richard Bodem
Das finde ich einen sehr schönen Gedanken.
Nach so vielen schweren Fragen möchte ich Dir noch einige persönliche Fragen als Autorin stellen. Du schreibst sehr fundiert, wie recherchierst Du?

Marion Schinhofen
Wenn man mir beispielsweise eine Lebensgeschichte erzählt, schreibe ich sie erst einmal herunter. Die Recherche ist dann sehr zeitintensiv, da die Aussagen von mir dreimal überprüft werden: im Internet, Büchern, Telefonaten und persönlichen Gesprächen mit Zeitzeugen.

Richard Bodem
Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Was sind für Dich arbeitsförderliche Bedingungen?

Marion Schinhofen
Ausgeschlafen sein, ein funktionierender PC, Ruhe und mittags eine Tasse Kaffee und Kuchen. Ab und zu ein Spaziergang.

Richard Bodem
Hast Du zurzeit ein aktuelles Buch an dem Du arbeitest? Und wenn ja, möchtest Du uns davon erzählen?

Marion Schinhofen
Ich schreibe zurzeit an einem Tatsachenroman mit Sachbuchanteil “Unser Albtraumhaus am Niederrhein”. Meine Geschichte über acht Jahre Kampf um Gerechtigkeit und Schadenersatz. Ein jahrelanges Drama über Pleiten, Pech und Pannen, Lug und Betrug bei einem Hauskauf. Mit diesem Buch setze ich allen hochmotivierten Schwindlern, Ausbremsern, Verschleppern, fragwürdigen Hausverkäufern/Maklern/Gerichten/Rechtsanwälten, Gutachterdilettanten, Scheinhandwerkern und Nichtstuern ein mahnendes Denkmal, damit sich meine Leser/innen vor einem Nervenzusammenbruch und einem finanziellen Chaos schützen können. Geschädigte Menschen brauchen Mut, sich den Seilschaften »Unternehmen – Rechtsanwälte – Gerichte« entgegenzustellen.

Richard Bodem
Das klingt auf jeden Fall sehr interessant.
Ich danke Dir für dieses Gespräch und wünsche Dir weiterhin viel Erfolg. Ich hoffe Deine Worte und Bücher inspirieren weiterhin viele Menschen zur Hoffnung.

Marion Schinhofen
Ich danke Dir für Deine interessanten Fragen und Deinen Einsatz.

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